No worries in Alice Springs

Alice Springs ist immerhin 450 km vom Uluru entfernt. Nicht wie viele Touristen meinen, nebenan. Doch auch  in der grünen Stadt des Outbacks gibt es viele Sehenswürdigkeiten und besondere Orte.

Dots - Fabienne
Typische „Dot“ Malerei – Fabienne in der Galerie „Yubu Napa“

Da unser Hotel eine der schlechtesten Anlagen bisher bot, gehe ich da nicht darauf ein. Aber Alice Springs war mit Sicherheit eine große Überraschung für meine vorgefertigte Meinung über diesen recht düster erscheinenden Ort. 

In Alice Springs hat niemand Sorgen jeglicher Art. So scheint es zumindest, wenn du permanent „no worries“ zu hören bekommst, als Antwort auf alles. Sogar auf nicht gestellte Fragen.

Das Ayers Rock Ressort beeinflusste meine Meinung zu Aborigine People und ihrer Position als „Landowner“ (Eigentümer des Landes) deutlich und führte zu Irritationen. Davon möchte ich gerne noch einmal erzählen. Aber ich benötige noch eine Weile, meine Meinung zu sortieren und in angemessene Worte zu fassen. 

Nun trafen wir in Alice Springs auf genau den Typ von Aborigine, die eine schlechte Meinung über dieses Volk festigt. Sie sind laut und betrunken in den Straßen anzutreffen. Und auch Alice Springs ist keine wirkliche Schönheit, hat aber eine Menge sehenswertes zu bieten.

Royal Flying Doctor Service

Auf dem Lasseter Highway von Yulara nach Alice Springs fragten wir uns beim Anblick mehrerer verunfallter Fahrzeuge, wie hier Hilfe zu erwarten ist. Handyempfang war weitestgehend niemals vorhanden und die Straße war lang und ohne jegliche

Innenraum
Innenraum mit Behandlungsliege

 Zivilisation. Viele Autos lagen auf den angrenzenden roten Sandflächen auf dem Dach. Nicht auszudenken, welche schweren Verletzungen der Fahrer davongetragen haben muss. Hier zählte mit Sicherheit jede Minute. 

Bereit 1912 gründete John Flynn die Australian Inland Mission ins Leben und eröffnete Buschkrankenhäuser. Doch für rund das rund 2 Millionen Quadratkilometer große Outback reichen zwei Ärzte nicht aus. So setzte er seit 1928 auf Flugzeuge. Mit der Hilfe von oben konnten fortan viele Menschen überleben. Ich war sehr berührt von der Geschichte einer jungen werdenden Mutter, die viel zu früh Wehen bekam. Die Hilfe des Royal Flying Doctor Service rettete das Leben der jungen Frau und des Babys, weil sie in kurzer Zeit auf der Farm der Familie Hilfe leisteten und die Familie im Flugzeug weiter versorgen konnten.

Größe im Vergleich
Kleines Europa in grün auf Australien

Der RFDS verfügt heute über fünf verschiedene Flugzeugtypen, die für flugmedizinische Operationen eingesetzt werden. Dies sind die Pilatus PC-12 und PC-24, die King Air B350 C und B200 C und das neue Turboprop-Flugzeug Beechcraft King Air 360CHW. Die Flotte umfasst derzeit 79 Flugzeuge und rettet alle 2 Minuten ein Menschenleben.

Dabei ist das Team auch für Health Care, wie Impfungen und Vorsorge für die Menschen auf weit abgelegenen Farmen und auch Aufklärungsarbeit für junge Frauen zuständig. 

Das integrierte Team aus Zahnärzten übernimmt die medizinische orale Versorgung.

Ein „Schmerz-Management“ und Beratungen erfolgen, wann immer es geht, über Funk. In den 1950ern entwickelte die Krankenschwester Lucy Garlick ein Körperdiagramm, um Ärzten bei der Diagnose der Krankheiten von Patienten zu helfen. Dieses Diagramm bestand aus sieben nummerierten Torsoteilen. Über diese Tafel konnte jeder Patient über Funk genaue Angabe über die Heftigkeit und Lokalisation der Beschwerden machen. Dieses Konzept wird noch heute bei jedem Einsatz und in der fernmündlichen Sprechstunde angewandt, um wertvolle Zeit zu sparen. 

Im Visitor Center von den Royal Flying Doctor Service in Alice Springs dufte ich per Virtual-Reality-Brille bei einem Einsatz dabei sein. Bei dem Film über den Anflug an eine Unfallstelle wurde mir kurz übel, weil das Gesehene so real erscheint und du wirklich im Cockpit dabei bist. 

Bei den Vorgängen im Inneren des Flugzeuges stockte mir der Atem. Die Krankenschwester musste den Patienten schocken, weil sein Herz aussetze. Die Stimmung war dennoch locker und es wurde gescherzt, damit niemand in diesem engen Raum Panik bekommt.

Ein Minimum an Ausstattung und eine höchst effektiv geschulte Crew retteten vielen Menschen im Laufe der Jahre das Leben. Die Organisation kann nur durch Spenden leben. Der Einsatz ist für Australier kostenlos und durch das „Health Care“ Programm, ähnlich unseren Krankenkassen, abgesichert. Lediglich Ausländer müssen bei der Bergung einen kleinen Anteil der Flugkosten übernehmen.

School of the Air

Auch in Australien haben alle Kinder eine Schulpflicht. In großen Städten stellt dies auch kein Problem dar. Schwieriger wird es für Familien, die im Outback leben oder Dienst an Grenzen oder anderen

School of the air
Musikraum

 Ländern verrichten. Es sind nicht nur Farmer, sondern auch Polizisten und Betreiber von Truckstores, die ihre Kinder nicht in eine erreichbare Schule bringen können.

Das, was für deutsche Schulkinder durch Corona plötzlich notwendig wurde, lebt die „School of Air“ seit dem 8. Juni 1951. Insgesamt 15 Schulen dieser Art gibt es in Australien, die Erste entstand in Alice Springs in enger Kooperation mit den Royal Flying Doctors. Die Erfindung des Pedal-Radios mit einem Pedal angetriebenen Generator von Alfred Traeger macht dies alles in den frühen Jahren möglich. Doch nicht nur die Nutzung der Funkgeräte ist ihr gemeinsamer Nenner, sondern auch die Frau, die beide Organisationen mit ihrer Idee erst möglich machte: Adelaide Miethke. 

Die Schule sagt von sich selbst, sie haben das global größte Klassenzimmer. Und tatsächlich ist die Mehrzahl der Kinder weit von der Schule in Alice Springs entfernt. Das Gebiet um Alice Springs umfasst die MacDonnell Ranges und ihren Teil des Xeric Scrubs der Central Ranges. Die Region umfasst ungefähr 1,3 Millionen Quadratkilometer im Northern Territory, dem östlichen Teil von Western Australia und dem nördlichen Teil von South Australia.

Im Haus der Kinder lebt ein „Tutor“, der von den Eltern bezahlt werden muss. Die Helferinnen und Helfer sind aber auch im Alltag der Familie eingespannt und helfen auf den Farmen und in anderen Bereichen des Lebens mit. Ist dies nicht möglich, können auch die Eltern die Tutoren Aufgabe übernehmen, doch das ist eher die Ausnahme. Neben dem Entgelt für den Tutor müssen die Eltern eine Aufnahmegebühr entrichten. Alle anderen Kosten werden vom Staat übernommen.

Von außen sieht die „School of Air“ von Alice Springs aus, wie ein normales Schulgebäude, umzäunt und mit Rasen zum Spielen drumherum. Doch im Inneren unterscheiden sich die Räume stark zu anderen Klassenzimmern. Es sind eher Studios, mit Blue Screen und jeder Menge Lichtanlagen und Kameras. Digital voll aufgerüstet. Die Zeiten der behäbigen Funkanlagen sind vorbei.

Die Lehrerinnen und Lehrer unterrichten die Kinder über Monitore, Chats und Videoanimationen. Der Inhalt der Stunden ist jedoch genauso, wie in anderen Schulen auch. Die Kinder von der „School of he Air“ gehören übrigens zu den Besten des Landes.

10 Wochen Unterricht, eine Woche Pause und viermal im Jahr ein Treffen aller Jahrgänge in Alice Springs, so sieht es der normale Rhythmus vor. 

Wir hatten bei unserem Besuch das große Privileg, dem Präsenztreffen der Viertklässler beizuwohnen. Die Eltern sind für diese Woche in Ferienappartements und auf dem Campingplatz untergebracht. Am Vormittag ist Schule für die Kinder und am Nachmittag treffen sich die Familien für zahlreiche gemeinsame Aktivitäten. Unter diesen Kindern befand ich sich ein kleiner Junge, der zu einer Fernsehfamilie gehörte. Als Outback-Trucker fahren sie mit ihrem Truck durch das Outback und erzählen darüber Geschichten im Fernsehen. Der Sohn hatte seine Mama nun eine Woche nicht gesehen, weil sie leider nicht an dem Treffen teilhaben konnte. Sie klopfte aufgeregt gegen die Scheibe des Studios, wo die Kinder gerade Unterricht hatten. Er sah kurz hoch, strahlte und beschäftigte sich weiter mit den Aufgaben der Lehrerin. Warum sollte es bei den Kindern auch anders sein als bei uns! Wiedersehensfreude ist meistens eher bei den Eltern als bei den Kindern.

Die „School oft he Air“ hilft vielen Familien, ihre Kinder bei sich zuhause zu beschulen. Und auch die Lehrer und Lehrerinnen wohnen im ganzen Land verstreut. Als gebürtiger Brite musste eine Fachkraft während Covid das Land verlassen. Er unterrichtet noch heute aus seinem eigens gebauten Studio in England. 

Kinder aus Aborigine Familien erfahren oft, dass ihre eigene Sprache in der restlichen Welt nicht verstanden wird. Auch hier hilft die Schule, damit die Kinder Englisch lernen können, ihre eigene Sprache aber nicht verloren geht. 

Lediglich für die Abschlussklasse müssen alle Kinder in eine stationäre Schule gehen. Meistens gehen die Mütter mit den Jugendlichen dann für ein Jahr in eine Stadt, damit das Kind danach zur Universität gehen kann. 

Ein Bildungssystem, das kein Kind vergisst oder allein lässt und alle Möglichkeiten nutzt.

Spionage und alltägliche Funkanlagen

Die großen Satelliten- und Funkanlagen rund um Alice Springs dienen bekannterweise auch den USA als Spionage Einrichtungen. Vor einiger Zeit gab es deshalb einen großen Überschuss an Gärtnern in der Region. Wie das zusammenhängt? Spionage und alltägliche Funkanlagen

Wird ein Agent gefragt, was er beruflich macht, hat er aufgrund der vielen grünen Anlagen im Umland oft geantwortet, dass er Gärtner sei. Später kam es vielen Menschen komisch vor, dass Alice Springs so viele Gärtner haben will und die Menschen wurden misstrauisch. In den nächsten Jahren „schulten“ dann einige Gärtner auf Maurer und Maler um. Doch die große Anlage mitten im Nichts ist inzwischen kein Geheimnis mehr.

„Pine Gap“ ist ein gemeinsames Spionage- und Überwachungsstation der USA und Australiens. Die Einrichtung wurde in den späten 1960er-Jahren errichtet und dient der Sammlung von Signalaufklärungsdaten, einschließlich Satellitenkommunikation und Radarüberwachung. Die genauen Aktivitäten der Einrichtung sind jedoch nicht öffentlich bekannt und unterliegen der Geheimhaltung. In der Vergangenheit hat „Pine Gap“ Aufmerksamkeit und Kritik durch ihre Rolle bei der Sammlung von Daten für US-Militäroperationen und ihrer umstrittenen Überwachungspraktiken Kritik von Menschenrechtsgruppen und Datenschützern erhalten.

Laut Wikipedia, die ich leider zitieren muss, da man mich nicht hineinlassen wollte, „wird die Station von der US Central Intelligence Agency (CIA), der US National Security Agency (NSA) und dem US National Reconnaissance Office (NRO) betrieben und leistet einen wichtigen Beitrag zu den globalen Abhör-/Überwachungsbemühungen der NSA, zu denen auch das ECHELON-Programm gehört. Der klassifizierte NRO-Name der Pine Gap-Basis ist Australian Mission Ground Station (AMGS), während der nicht klassifizierte Deckbegriff für die NSA-Funktion der Einrichtung RAINFALL ist.“

Die „School of the Air“ und natürlich auch der „Royal Flying Doctor Service“ sind ebenfalls auf die Funkverbindungen angewiesen. Ein Grund mehr, dass sich in Alice Springs eine der größten zivilen Funkanlagen in Australien befindet. Zu Zeiten der Telegrafie mussten in Australien unfassbare Weiten überbrückt werden. Alice Springs im Herzen des großen Landes war die einzige Verbindungsmöglichkeit für viele Jahre. 

Der Name „Alice Springs“ hat seine Wurzeln übrigens auch in den Funkanlagen. Die Stadt wurde nach Lady Alice Todd benannt, der Frau des Generalpostmeisters von Südaustralien, Sir Charles Todd. Er war die treibende Kraft hinter dem Bau der Overland Telegraph Line zwischen Adelaide und Darwin.

Damit hab’ ich längst nicht alles Wissenswertes über „Alice Springs“ erzählt. Aber „no worries“ Ich komme darauf zurück, vielleicht. Oder wahrscheinlich. Weil ich so gerne noch über die besondere Kunst der Aborigine People erzählen möchte.

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Corinna Kruse Profilbild einer Reisejournalistin

Corinna Kruse

Als studierte und seit 2021 selbstständige Journalistin liebe ich es meine Erlebnisse in Worte zu packen. Ich möchte andere dazu motivieren, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und ihr Leben in die Hand zu nehmen.

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